Mittwoch, 8. Mai 2013

Armes Deutschland: Willkommen im Wohlstandskeller der EU #spiegel

Viele Jahrzehnte gehörte Deutschland zu den reichsten Nationen Europas. Das war einmal. Nach aktuellen Schätzungen ist das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 2003 unter den Schnitt der EU gerutscht - zum ersten Mal.

Nach Berechnungen des britischen Wirtschaftsmagazins "The Economist" lag das Pro-Kopf-BIP Deutschlands im vergangenen Jahr um 1,0 Prozent unter dem Durchschnitt aller EU-Nationen. Der Niedergang der deutschen Wirtschaftskraft sei "alarmierend", befindet das Blatt in einem Leitartikel.  Tatsächlich lag Deutschland noch Ende der achtziger Jahre beim BIP pro Kopf rund 20 Prozent über dem Schnitt der Europäischen Union. Inzwischen aber sei das Pro-Kopf-BIP nur noch in vier der 15 EU-Nationen niedriger als in Deutschland. Im Durchschnitt ärmer sind jetzt nur noch Spanien, Portugal, Italien und Griechenland. In Irland, das lange Zeit das Armenhaus Westeuropas war, liege das Pro-Kopf-BIP inzwischen 20 Prozent über dem deutschen Wert, sagte Pam Woodall, die Autorin des "Economist"-Artikels. Im Jahr 2002 habe Deutschland immerhin noch exakt im Mittelfeld der EU gelegen.
Ein Teil dieses deutschen Niederganges sei zwar auf die Effekte der Wiedervereinigung zurückzuführen, sagte sie. Wegen des relativ geringeren Wohlstandes im Osten ist der Durchschnitt des BIP in Gesamtdeutschland 1990 auf einen Schlag deutlich gesunken. Im Jahr der Wiedervereinigung habe das Pro-Kopf-BIP aber immer noch um neun Prozent über dem EU-Schnitt gelegen.
Deutschland verdeckt die Erfolge der EU
Seither sei Deutschland mit einem durchschnittlichen jährlichen BIP-Wachstum von 1,4 Prozent die Volkswirtschaft in der EU gewesen, die am langsamsten gewachsen sei. Deutschland sei sogar zu großen Teilen für das schlechte Image der EU-Wirtschaft verantwortlich, schreibt das Blatt weiter. Der Rest der EU sei gar nicht "sklerotisch", wie oft angenommen werde. In den anderen EU-Ländern sei die Wirtschaft ebenso dynamisch oder sogar dynamischer als in den USA, die als weltweiter Wachstumsmotor gelten.
Die Kapitalrendite amerikanischer Konzerne etwa sei zwar im Schnitt doppelt so hoch wie die deutscher Konkurrenten, so der "Economist", der sich hier auf eine neue Studie von Goldman Sachs Chart zeigen beruft. In der EU außerhalb Deutschlands sei die durchschnittliche Kapitalrendite aber sogar höher als in den Vereinigten Staaten. Ein ähnliches Beispiel: In der EU außerhalb Deutschlands sei das BIP im vergangenen Jahrzehnt um 2,3 Prozent pro Jahr gewachsen - das liege ebenfalls über dem US-Schnitt. Aus Sicht des liberalen Magazines sind die Zahlen ein weiterer Beleg dafür, dass Deutschland seine Lohnnebenkosten senken und die Steuerlast reduzieren müsse. Auch sei eine Verschlankung des "übertrieben großzügigen Wohlfahrtsstaates" geboten. Eine Trendwende zum besseren in Deutschland sei noch nicht abzusehen - erst einmal würde sich die Lage weiter verschlechtern.
Einen schwachen Trost gibt es für Deutschland: Mit der Osterweiterung im Mai werden neue Länder in die EU aufgenommen, die statistisch gesehen noch ärmer sind. Damit rückt Deutschland in der BIP-Rangfolge wieder auf - und liegt wieder oberhalb des EU-Durchschnitts.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/armes-deutschland-willkommen-im-wohlstandskeller-der-eu-a-287130.html
http://www.spiegel.de/wirtschaft/armes-deutschland-willkommen-im-wohlstandskeller-der-eu-a-287130.html


1 Kommentar:

  1. Sind die Bürger in Krisenländern wie Griechenland reicher als die Deutschen? Diesen Eindruck erweckt eine Studie der Europäischen Zentralbank. Der Vermögensvergleich in den Euro-Ländern hat aber gleich mehrere methodische Mängel.
    - Die Menschen in europäischen Krisenländern sind laut einer Studie der Europäischen Zentralbank reicher als Bürger in Deutschland. Das mittlere Vermögen deutscher Haushalte beläuft sich demnach auf rund 51.400 Euro netto - und liegt damit weit unter dem in Griechenland (101.900 Euro), Frankreich (113.500 Euro), Spanien (182.700 Euro) oder Zypern (266.900 Euro).

    Die Gründe für die enormen Unterschiede sind unter anderem, dass in den südlichen Ländern mehr Menschen im Eigenheim wohnen und dass dort im Schnitt mehr Menschen in einem Haushalt leben als hierzulande. Die jüngsten Daten für die Studie stammen von 2010, einige auch von 2008. Die Bundesbank hatte den deutschen Teil der Studie schon im März veröffentlicht.

    Ganz oben auf der Liste stehen die Luxemburger, die im Mittel auf fast 400.000 Euro kommen. An der von 2008 bis 2011 - und damit lange vor den jüngsten Verschärfungen der Euro-Krise - ausgeführten Studie hatten 62.000 Haushalte aus 15 der 17 Euro-Länder teilgenommen. Nicht erfasst sind Vermögen in Irland und Estland.

    Studie hat Mängel

    Die EZB zieht für den Vermögensvergleich den sogenannten Median heran. Dieser wird folgendermaßen berechnet: Werden Haushalte nach ihrem Vermögen aufgereiht, liegt der Median genau in der Mitte - es gibt ebenso viele reichere wie ärmere Haushalte. Der Median wird dadurch weniger stark durch Ausreißerwerte nach oben und unten verzerrt. Besonders reiche oder arme Haushalte fallen also weniger ins Gewicht.

    Aus mehreren Gründen sind die Ergebnisse der Studie dennoch mit Vorsicht zu genießen:

    So ist das von der EZB ermittelte deutsche Nettovermögen knapp 30 Prozent geringer als jenes in der üblichen gesamtwirtschaftlichen Vermögensbilanz des Statistischen Bundesamts.
    Nicht problematisiert wurde zudem die Tatsache, dass nicht Einzelpersonen, sondern Haushalte betrachtet wurden. Das hat aber Folgen, da in deutschen Haushalten im Durchschnitt deutlich weniger Personen leben als in spanischen und italienischen.
    Im Pro-Kopf-Durchschnitt ist das Privatvermögen in Westdeutschland höher als in Griechenland, Spanien und Frankreich.

    Ein weiteres Problem ist, dass einige der Daten von 2008 sind. Im Zuge der Krise im Euro-Raum sind seither jedoch vielerorts Immobilienpreise gepurzelt, während die Arbeitslosigkeit zunahm. "Besonders für Spanien ist es kritisch, das Erhebungsjahr 2008 zu wählen. Denn die Immobilienpreisblase ist dort erst später geplatzt", sagte Christoph Schröder vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln: "Das Durchschnittsvermögen ist in Spanien daher heute geringer als im Jahr 2008."

    cte/dpa/Reuters
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soz...-a-893412.html

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